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Nachdem die OP nun ein paar Tage her ist, habe ich heute meinen Nachsorgetermin. Ich sitze also wieder im Wartezimmer des Brustzentrums – heute mit meinem Freund zusammen. Da die Ärztin uns bereits telefonisch vor einigen Tagen die frohe Botschaft überbrachte, dass alles Böse entfernt werden konnte und damit nunmehr die Therapie geschafft scheint, sind wir entsprechend entspannt.

Im Warteraum treffen wir die Patientin, mit der ich mir damals hier im Krankenhaus ein Zimmer teilte. Sie muss um die 60 Jahre alt sein, ist an Brustkrebs erkrankt und wurde parallel zu mir operiert. Was mir von ihr in Erinnerung blieb, ist ihr stets gut gestyltes Auftreten: Geschminkt und immer schön die Dauerwelle in Form gebracht. So nach dem Motto: Wenn schon sterben, dann wenigstens mit Stil! Dazu ein etwas tollpatschig anmutender Ehemann, der aber für seine Frau alles Erdenkliche in Bewegung setzte, sie jeden Tag mit vielen lieb gemeinten Köstlichkeiten versorgte und natürlich täglich mit zitterte. Ich weiß noch wie er am 6. Dezember schon gegen 7:00 Uhr ins Zimmer kam um ihr einen Schokoladen-Nikolaus hinzustellen – äußerst putzig! Und er war immer so stolz darauf, wie er es jeden Tag ohne sie schaffte sich die Sachen aus dem Kleiderschrank zu suchen. Er stand dann vor ihrem Bett, deutete auf sein Outfit und fragte: „Na, hab‘ ich das nicht wieder toll hingekriegt?!“. Wir beiden Damen schauten uns dann nur an und lachten amüsiert – wohlwissend, dass wir dieses Oberteil nie im Leben mit der Weste kombiniert hätten! 🙂 Und während sie noch an seinem Hemd rumzupfte, dachte ich mir bereits: Wenn mein Freund und ich in 30 Jahren so miteinander umgehen, dann haben wir alles richtig gemacht!

Ich glaube, dass sie den typischen Krebskranken repräsentiert, der der Medizin nur als Laie gegenübersteht und vom Krebs die allgemeingültige Meinung hat: Nämlich dass es keine Heilung gibt. Ich versuchte sie stets vom Gegenteil zu überzeugen indem ich ihr erzählte wie weit die Forschung und Medizin mittlerweile seien und dass man heutzutage nicht mehr daran sterben müsse. Am Ende war sie sogar verhalten optimistisch! Mein Freund sagte daraufhin nur zu mir: „Man, du hast selbst genug Probleme… und dann baust du noch andere um dich herum mit auf!“.

Nun sitzen wir hier im Warteraum zu Viert und zittern gemeinsam. Denn die Dame weiß noch nicht, ob sie eine Chemotherapie zu befürchten hat. Dass sie bestrahlt wird, weiß sie schon. Davor hat sie aber keine Angst. Als sie aufgerufen wird, umarme ich sie noch einmal und drücke ihr die Daumen. Ein paar Minuten später holt mich auch meine Ärztin ab. Viel zu erzählen gibt es ja nicht mehr. Sie wiederholt die Eckdaten des Telefonats und dass die Behandlung für sie hiermit abgeschlossen sei. Das war auch für uns im Grunde das wichtigste.

Sie gibt aber offen zu, dass die Ärzte des Hauses nicht die Experten für Sarkome seien. Aus diesem Grund bittet sie mich, noch einmal in einem sogenannten Sarkomzentrum vorbeizuschauen. Einen Termin hat sie dort schon für mich organisiert.

Am Ende wirft sie noch einen Blick auf die OP-Naht. Sie entfernt das Klebepflaster und ist zufrieden: „Das sieht wirklich sehr gut aus!“. Während sie den operierten Bereich vorsichtig abtastet, merke ich, dass auch langsam wieder etwas Gefühl in die Haut zurückkommt.

Ansonsten sprechen wir noch kurz über die Anti-Baby-Pille. Die Ärzte sind sich immer noch sehr unsicher, ob sie einen Einfluss auf die Erkrankung hatte und bitten mich deshalb auch weiterhin auf die Einnahme zu verzichten – zumindest so lange bis dies abschließend im Sarkomzentrum entschieden wird.

Zu guter Letzt schickt man mich geradewegs noch schnell zur Mammographie damit ein Befall der anderen Brust definitiv ausgeschlossen werden kann. Ich muss zugeben, dass ich die Prozedur ziemlich unangenehm finde. Meine ohnehin sehr empfindliche Haut ist nach diesem krassen Quetschungsprozess extrem rot und dass meine Brust nicht zerplatzt ist, wundert mich fast. Nun ja… immerhin werden die Röntgenbilder gleich ausgewertet und für gut befunden – also alles tutti!

Ich verabschiede mich. Und obwohl meine Ärztin mich ja nun in die Obhut eines anderen Zentrums, das in einem anderen Krankenhaus liegt, übergibt, signalisiert sie mir ihr Interesse, auch weiterhin von mir hören zu wollen: „Sie können sich jederzeit gern bei mir melden. Sie waren ja schließlich ein sehr außergewöhnlicher Fall für uns!“.

Auf dem Flur treffen wir noch einmal das alte Pärchen von vorhin. Auch sie sehen überglücklich aus: „Keine Chemo! Gott sind wir froh!!!“. Und in der Tat hat man den Eindruck, dass sie die ganze Welt umarmen möchten. Es scheint fast, als ob der Krebs plötzlich zur Nebensache wird und ohne Chemotherapie das ganze gleich nur noch halb so schlimm ist. Schon verrückt… Wir wünschen uns alles Gute und hoffen, dass wir uns – zumindest hier – nie wieder sehen!