Schlagwörter
Angst, Arztgespräch, Erwartungen, Kinderwunsch, Partner, Verzweiflung
Heute ist der Termin im Kinderwunschzentrum. Da das Thema „Familienplanung“ auch meinen Freund etwas angeht, habe ich ihn gebeten mitzukommen. Außerdem will ich da nicht alleine hin.
Ich bin immer noch überzeugt, dass diese Eierstockentnahme nichts für mich ist. Aber ich will mir später nicht vorwerfen, dass ich der Ärztin nicht die Möglichkeit gegeben hätte, mich vom Gegenteil zu überzeugen.
Also sitzen wir im Wartezimmer zwischen all den Pärchen, die schon wesentlich älter sind als wir und dementsprechend wohl wegen ganz anderer Probleme des unerfüllten Kinderwunsches hier sitzen. Es ist uns fast unangenehm, weil sich die anderen garantiert denken: ‚Warum sind die denn hier? So jung… da sollte das doch noch klappen!?’.
Ansonsten ist jeder Quadratzentimeter der Wand zugekleistert mit Babyfotos oder Bildern, die einem auf ganz romantische Art und Weise das perfekte Familienglück darlegen. Es ist so übertrieben aufgesetzt, dass es mir beim Anblick fast hoch kommt… Gleichzeitig aber lösen die Bilder in mir ein ganz merkwürdiges Empfinden aus. Als ob sie mir sagen wollen: Wenn du deinen Eierstock nicht wegfrieren lässt, dann wirst du das alles nie haben! Es ist extrem verblüffend wie sehr ich hier das Gefühl habe, kein perfekter Mensch bzw. gar keine richtige Frau zu sein oder kein erfülltes Leben zu haben, wenn ich kein Kind in die Welt setze.
Wir werden von der Ärztin in ihr Zimmer gebeten. Nachdem ich mir wieder die Laier „Oh, das ist aber furchtbar selten, was sie da haben…!“ anhören durfte (und ja, ich kann’s echt nicht mehr hören!!!), erzählt sie uns, welche Optionen wir haben… aber auch, welche wir aufgrund zeitlicher und medikamentöser Defizite nicht mehr haben. Letzteres hätte sie sich wirklich sparen können! Ich habe gerade einen extrem straffen Zeitplan, in dem ich alles wirklich (!) Wichtige zu klären habe. Da muss mir keiner was darüber erzählen, was in Amerika noch so alles möglich sei… das hilft mir grad überhaupt nicht weiter, beansprucht Platz in meinem Hirn, den ich grad nicht dafür her geben kann und sprengt alle Vorstellungskraft, die ich im Moment aufbringen kann!
Um es an dieser Stelle kurz zu machen: Es läuft alles auf eine Methode hinaus, nämlich einen Eierstock rauszunehmen und wegzufrieren. Wie schon erwähnt, fühle ich mich dabei überhaupt nicht wohl. Außerdem erzählt die Ärztin, dass das Verfahren (man nennt es Kryokonservierung) noch nicht lang genug erprobt sei, um entsprechende Erfolgsraten angeben zu können. Auch diese Methode kann mir also keine 100%-ige Sicherheit bieten schwanger zu werden. Na toll, dann funktioniert diese Methode nachher nicht und alle Hoffnung liegt in dem einen Eierstock, den ich noch habe! Dann wäre ich bestimmt froh noch beide zu haben… verdoppelt die Chancen ja immerhin! Mit einer Brust komme ich ja zurecht – das ist „nur“ ein optisches Problem, welches man durch einen operativen Aufbau wieder lösen kann. Aber der Eierstock soll ja nicht schön aussehen, sondern funktionieren! Da kann mir keiner einen neuen zusammenbasteln, wenn der den Geist aufgibt.
Die Kirsche auf der ganzen Torte ist hier, dass nur ein morgiger OP-Termin in Frage käme. Mich überfällt ein wenig die Ohnmacht, wenn ich mir vorstelle, morgen so eine Bauchoperation zu haben und dann drei Tage später mit der frischen Wunde in die Chemo zu starten.
Die Ärztin ist schließlich fertig mit ihren Optionen und gibt mir und meinem Freund die Möglichkeit, sich gemeinsam zu besprechen. „Drehen Sie einfach eine Runde um den Block… wenn sie sich dagegen entscheiden, reicht es völlig, wenn sie kurz die Anmeldung informieren. Ansonsten sehen wir uns noch einmal, um den OP-Termin fix zu machen.“
Mein Freund und ich laufen ein paar Schritte und setzen uns dann in ein Café. Diese ganzen Bilder im Wartezimmer und nun diese Möglichkeit zum Greifen nah… das nimmt mich ziemlich mit. Als ob eine Ladung von Steinen an mir hängen würde. So sicher ich mir vorher war, so viele Zweifel überkommen mich nun. Und plötzlich laufen doch die Tränen. Damit ist es offiziell: Das alles ist zu viel für mich! Ich konnte einfach nicht mehr! Mein Freund nimmt mich in die Arme: „Mir ist egal, was du machst – ich stehe hinter dir! Und sollte es später mit dem Nachwuchs nicht klappen, baue ich dir höchstpersönlich eine große Anlage für deine eigene Meerschweinchenfarm!“. Ich muss lächeln.
Ich überlege noch mal: Ein Eierstock hier und der andere da… Das fühlt sich für mich so an, als ob sowohl das eine als auch das andere eben nur zu 50 % klappen kann. Ich bin aber kein Mensch von 50/50. Entweder ganz oder gar nicht! Und wie schon gesagt: Das alles ist gerade eine Nummer zu groß für mich. Ich stehe also weiterhin zu meinem ersten Bauchgefühl und entscheide mich GEGEN eine Operation und FÜR meinen Eierstock!