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Obwohl ich so erschöpft war, habe ich vor lauter Aufregung nicht gut geschlafen. Hinzu kommt, dass ich wegen der permanenten Bewässerung meines Körpers im 2-Stunden-Takt auf die Toilette muss. An Durchschlafen ist da leider nicht zu denken.

Zu dem einen Zytostatikum gesellt sich ab heute noch ein zweites und spätestens ab dem Nachmittag merke ich wie viel das meinem Körper abverlangt. Müde bin ich aufgrund des Schlafmangels ohnehin. Zusätzlich merke ich aber wie ich stetig schlapper werde… die Energie ist bald wie weggeblasen.

Weil meine Amputationsnarbe mit heftigem Ausschlag auf die Chemo reagiert, schaut eine Hautärztin bei mir vorbei und verspricht mir, dass die nächsten Tage zu beobachten.

Ansonsten zucken gelegentlich meine Lippen und der Rest des Gesichts… einfach so… ohne, dass ich es kontrollieren kann. Immer öfter habe ich Kopfschmerzen und mein Herz pumpt in Intervallen derart heftig, als ob es von innen gegen meinen Körper schlägt und schreit: „Ey, lass den Scheiß! Du bringst mich noch um!“. Ich weiß… nur leider ist das – in Bezug auf die Krebszellen – das Ziel. Ich kann nur dasitzen und hoffen, dass meine Organe halbwegs mitspielen.

Unterstützen kann ich meinen Körper vor allem, indem ich unendlich viel trinke. Und dabei rede ich nicht von Kaffee oder Milch… sondern am besten von stinknormalem Wasser und Tee. Die ständige Trinkerei geht einem gewaltig auf den Sack. Aber umso schneller man die ganze Chemie wieder aus dem Körper rausspült, umso schneller fühlt man sich besser und umso weniger Schaden können die Zytostatika hinterlassen.

Spätestens wenn ich zur Toilette gehe, merke ich, wie giftig das Zeug sein muss. Denn der Geruch des Urins ist wirklich grauenhaft und zum Übelwerden!!! Aussehen tut es, als ob ich vorher einen Schluck Spüli zu mir genommen hätte… so schaumig. Bäh! Ich entschuldige mich bei meinen Nieren und danke ihnen für ihre tolle Arbeit!

Überhaupt fühle ich mich ein wenig wie ein Motivationstrainer, der seine Schüler – in meinem Fall die Organe – anfeuert: „Los jetzt – hopp hopp! Ja, ihr schafft das!“. Zum ersten Mal wird mir in aller Schärfe klar wie sehr man sich auf seinen eigenen Körper verlassen muss. Tagtäglich nehmen wir einfach so hin, dass er funktioniert, ohne wertzuschätzen, was er permanent leistet. Stattdessen sind wir völlig entsetzt, wenn er einmal ´nen schwachen Moment hat und nicht so läuft wie erwartet (zum Beispiel wenn man schwer krank wird). Es ist ein bisschen wie im Job: So lange alles läuft, sind alle zufrieden und keiner kommt auf die Idee etwas zu hinterfragen oder gar zu loben. Irgendwann unterläuft einem Mitarbeiter doch mal ein Fehler und dann ist das Geschrei groß. Warum muss alles 24 Stunden am Tag zu 100% funktionieren? Wer die Messlatte so hoch legt, will vielleicht sogar enttäuscht werden…