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Appetit, Blut, Medikamente, Nebenwirkungen, Patienten, Pfleger
Heute darf ich nach Hause. Es fällt mir zwar schwer, einen Fuß vor den anderen zu setzen… aber ich freue mich darauf, das Krankenhaus verlassen zu können.
Meine Bettnachbarin wird bereits früh am Morgen für ihre Operation abgeholt. Dann bin ich erst einmal allein. Zwischendurch kommen immer wieder ihre besorgten Eltern ins Zimmer, in der Hoffnung, dass ihre Tochter schon wieder aus dem OP zurück ist. Wenn ich das richtig verstanden habe, wird ihr eine Umfangsvermehrung hinterm Schulterblatt entfernt. Bestimmt sehr aufwändig… kein Wunder, dass das so lange dauert. Als sie zurückgebracht wird, ist ihr Oberkörper jedenfalls reichlich in Verbandsmaterial eingetütet. Und da sie noch sehr mit ihrem Narkoserausch kämpft, stören die Eltern nicht lange und gehen noch einmal für ein bis zwei Stunden ins Café.
Das Pflegepersonal sieht nun regelmäßig nach der Patientin. Als sie langsam zu sich kommt, werden ihr gleich ein paar Regeln auferlegt: „Bitte tun sie dies und das nicht allein…“. Schon bald bemerke ich, wie egal ihr das ist. Das kommt mir sehr bekannt vor. 😉 „Sie dürfen auf keinen Fall allein aufstehen! Wenn Sie auf die Toilette müssen, sagen Sie mir Bescheid. Dann bringe ich Ihnen einen Schieber.“ Die Schwester ist kaum aus dem Zimmer, da murmelt die junge Frau irgendwas von „Ich setz mich doch nicht auf so ne Schüssel!“ und steht langsam auf um in Richtung Toilette zu gehen. Ich weiß, dass das vielleicht unvernünftig ist, kann es aber zutiefst nachempfinden. Auch ich habe damals dem Personal nen Vogel gezeigt als man mir den Schieber unter Hintern legen wollte. Ja, Stolz und ein eiserner Wille sind schon was Feines! 🙂
Da sie keine Hilfe möchte, liege ich also da, behalte sie im Blick und lausche den Geräuschen im Bad – damit ich wenigstens klingeln kann, wenn sie doch noch umfallen sollte. Gerade als sie wieder sitzend auf ihrer Bettkante ankommt, biegt die Schwester um die Ecke und fällt fast in Ohnmacht: „Sie sollen doch nicht allein aufstehen!“. Wir beiden Mädels schmunzeln in uns hinein. 😉
Bevor ich die Station verlassen darf, nimmt man mir noch Blut ab. Die Werte sind sogar ein klein wenig besser als die von vor vier Tagen. Wahrscheinlich wurden noch einmal irgendwelche Reserven im Körper mobilisiert, von denen ich aber körperlich rein gar nichts merke. Aber egal…
Für daheim bekomme ich noch eine Wundertüte voller schöner Anti-Übelkeit/Brech-Medikamente mit: MCP, VomexA und Zofran zydis. Sie alle wirken auf unterschiedliche Art und Weise. Wenn also eins nicht hilft, soll man das Nächste probieren. Mit im Gepäck ist auch mein Mundpflegeset, bestehend aus der desinfizierenden Mundspülung und den Anti-Pilz-Tabletten, die ich auch zu Hause immer nach dem Essen nutzen soll. Von den Magenschutz-Tabletten geben sie mir für die ersten beiden Tage noch was mit. Danach soll ich mir die selbst aus der Apotheke holen. Auch eine starke Schmerztablette ist im Körbchen… die kümmert mich aber erst mal nicht. Zu guter Letzt werde ich gebeten, mein Blutbild in den kommenden zwei Wochen regelmäßig in meiner onkologischen Praxis kontrollieren zu lassen.
Zu meinem Entlassungsbrief fordere ich auch den OP-Bericht mit an. (Man sollte grundsätzlich auf all seine Unterlagen bestehen… so hat man daheim alles beisammen.) Als ich meinen Bericht über das Einsetzen des Ports in der Hand halte, bestätigt sich mein Verdacht, dass der Chirurg keinerlei Ahnung von meinem Krankheitsbild hatte: Diagnose Mammakarzinom! Dazu fällt mir nichts mehr ein…
Ich ziehe mich um. Meine Jeans, die ich vor gut einer Woche hier in den Schrank gehangen hatte, ist gefühlt nicht mehr die meine. Im Bereich des Hinterns und der Oberschenkel ist absolut keine „Füllung“ mehr drin. Ich sah ja täglich auf der Waage, dass ich abnahm… aber dieses Ausmaß hätte ich nicht erwartet. Was 3 kg ausmachen können.
Als wir endlich mit kleinen Schritten aus dem Krankenhaus kommen, atme ich tief die frische Luft ein! Zu Hause lasse ich mich sofort ins Bett fallen. Sicher, gelegen hatte ich im Krankenhaus eigentlich genug… aber geschlafen habe ich seit immerhin sieben Nächten kaum – nicht zuletzt, weil ich wegen der ganzen Infusionen auch in der Nacht alle zwei Stunden auf die Toilette musste. Nun lieg ich da – in einem frisch bezogenen Bett, das nicht nach Krankenhaus riecht… kein Schlauch an mir… kein Lärm um mich herum… Das tut gut!!!
Als ich wieder wach werde, muss mein nächstes Bedürfnis befriedigt werden: Essen! Glücklicherweise ist mir nicht mehr übel und der Appetit wirklich riesig. Die Suppe hat selten so lecker geschmeckt und am liebsten würde ich mich gleich in den Topf reinlegen. Einfach nur geil!
So geht es mir Stunde für Stunde immer ein klein wenig besser.