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Ich möchte noch einmal das Thema „Gründe und Ursachen“ aufgreifen. Einen entscheidenden Aspekt habe ich nämlich bisher vernachlässigt. Nach einigen Büchern und Gesprächen mit anderen Patienten ist mir inzwischen klar geworden, dass bei vielen Betroffenen die Suche nach einem Grund für die Erkrankung bei der Arbeit endet („Zu viel hier… zu viel da… nicht zur Ruhe gekommen… immer Bestleistung gegeben…“ usw.).
Also habe ich mich hingesetzt und mal mein eigenes Karriereleben unter die Lupe genommen. Wie man sich vorstellen kann, ist dieses mit stolzen 26 Jahren noch nicht all zu lang wie manch anderes. Ich habe sicherlich ein anspruchsvolles Studium hinter mir, gefolgt von einer ersten Arbeitsstelle mit viel Motivation und Einsatz. Aber genau hier liegt der springende Punkt: Das trifft auch auf so viele andere Menschen zu! Und haben die jetzt alle Krebs? Nein! Das soll sicherlich keine Entschuldigung sein. Vielleicht hätte ich auch mal eine Stunde weniger am Tag arbeiten können. Aber wenn ich unter meine letzten Jahre ein Fazit ziehen müsste, würde es dennoch lauten: Ich bereue nichts! Ich bin stolz auf das, was ich bisher geleistet habe!
Das heißt nicht, dass ich alle Workaholics dieser Welt in Schutz nehmen möchte. Im Gegenteil. Ich bin ziemlich überzeugt, dass sie alle – früher oder später – auch ihren ganz persönlichen „Urknall“ erleben werden. Ich habe inzwischen begriffen, dass das Leben ganz schnell vorbei sein kann. Gerade als junger Mensch denkt man ja nicht daran. Man glaubt immer: Sterben ist was für die alte Generation. Falsch! Ganz falsch! Und damit beschränke ich mich nicht nur auf die bösartigen Erkrankungen. Wir können einmal weniger nach links und rechts schauen, wenn wir die Straße überqueren… wenn uns dann auch der LKW-Fahrer nicht sieht, ist es passiert…
Wir gehen so leichtfertig mit unserem Leben um, dass es eigentlich schon weh tut. Warum tun wir das? Ich weiß es nicht. Mein Freund hatte sich neulich eine heftige Magen-Darm-Verstimmung zugezogen, nachdem er offenbar etwas Verdorbenes gegessen hatte. Ob nun mit dem Kopf oder dem Hintern über der Kloschüssel – angenehm war anders. Auch er saß dann erschöpft da und meinte: „Wie schön es doch ist, gesund zu sein!“. Genau! Aber wieso merken wir das erst immer, wenn wir krank sind? Wieso sind wir so scheiß-ignorant, wenn es um unsere eigene Gesundheit geht?
Oft kommt ja dann das klassische Argument: Das ging doch bisher immer gut! Wir ignorieren gekonnt kleinste Anzeichen des Körpers, die danach schreien, mal einen Gang zurückzuschalten. Und wenn wir schließlich mit Sirene in die Notaufnahme gefahren werden, fragen wir uns: Wo kommt das denn plötzlich her?
Gerade wenn es um die Arbeit geht, wird oft suggeriert, dass nur aus dem was wird, der Überstunden schiebt, sein freies Wochenende opfert und auch im Urlaub zu erreichen ist. Mittlerweile muss ich sagen: Dann verzichte ich lieber darauf, dass aus mir „etwas“ wird. Ich habe nichts von Auszeichnungen, die mir meine Angehörigen nur noch an meinen Grabstein heften können. Geld verdienen ja – aber nicht um jeden Preis! Und schon gar nicht auf Kosten der eigenen Gesundheit!
Ich lehne mich mal ganz weit aus dem Fenster und behaupte, dass es noch Arbeitsstellen gibt, die Achtung vor der eigenen Gesundheit haben. Die muss man gegebenenfalls suchen. Aber fündig wird man bestimmt. Vielleicht hilft es auch, völlig andere Optionen in Betracht zu ziehen. Das Leben hat so viel zu bieten. Man muss sich manchmal nur trauen.
Grossartig liebe Judy….du sprichst es mal aus, was viele erst zu spät sehen oder nie…
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