Schlagwörter

, , ,

Völlig bedröppelt und immer noch ziemlich weich in der Birne sitze ich im Wartezimmer meiner onkologischen Praxis, die mich außerhalb meiner Chemo-Sessions betreut. Da ich nun so eine Art Stammgast hier sein werde, erhoffe ich mir natürlich, dass die Praxis meinen Erwartungen an Professionalität und Mitgefühl gerecht wird.

Ich werde aufgerufen. Sofort fällt mir auf, dass der Arzt keinen Kittel trägt, sondern ein weißes Hemd und Stoffhose – was auf mich sehr elegant wirkt. Dies in Kombination mit seinem sehr einfühlsamen und warmen Wesen lässt mich sofort wissen: Hier bin ich richtig! Ich fühle mich auf Anhieb wohl. Kein albernes „Ich Arzt, du nix!“-Spiel… kein Gegeneinander, sondern Miteinander. Im Krankenhaus begegnen einem die Ärzte oft so distanziert, teils gar überheblich, sodass mich die Herzlichkeit hier in der Praxis fast überrollt. Die Räumlichkeiten strahlen etwas Modernes und Frisches aus, was ich als sehr angenehm empfinde. Und das Personal vermittelt eine fast familiäre, in jedem Fall unverkrampfte Atmosphäre.

Ich bin noch ziemlich benommen von der Chemo und habe unglaubliche Schwierigkeiten meinem Arzt zu folgen während er spricht. Das Zuhören ist so dermaßen anstrengend – unfassbar! Er ist gefühlt zwei Meter größer als ich, sodass ich nach oben schauen muss, wenn ich vor ihm stehe. Das ist im Moment echt eine Qual, weil mein Kopf sich dadurch gleich noch mehr dreht.

Ich erzähle ihm von meinem Befinden, meinem Knochenschmerz und meiner überaus schmerzlichen Erfahrung mit der gestrigen Schmerztablette (Capros). „Diese Pille haben Sie geschluckt?! Das ist doch ein ziemlich heftiges Zeug!“ Ja, das weiß ich nun auch. An diese Pille wird mich auch keiner mehr rankriegen.

Grundsätzlich scheint der Arzt meinen aktuellen Zustand aber nicht weiter spektakulär zu finden. Man könnte fast meinen, dass ich ihn mit meinen Schilderungen langweile. Was an sich schon eine merkwürdige Erfahrung ist. Säße ich unter normalen Umständen bei einem Hausarzt und würde diese Symptome schildern, würde man mich garantiert sofort ins Krankenhaus einweisen. Aber hier sind all meine „Wehwehchen“ im Grunde normal und gehören eben zum Bild meiner Chemotherapie. Nichts von dem, was ich ihm erzähle, scheint ihn aus den Socken zu hauen. Schon bemerkenswert. Aber auch irgendwie beruhigend. Denn so weiß ich, dass all dies zum Bild der Therapie passt. Und mir bleibt nur der Trost, dass das (angeblich) alles wieder besser wird.

„Was Sie da haben, ist KEIN Brustkrebs!“ „Ja, ich weiß.“ Diese Erkenntnis hat mich nicht mit einmal überrannt… ich kam ihr nach und nach irgendwie selbst auf die Schliche. Und nun – knapp zwei Monate nach Diagnosestellung – sagt das zum ersten Mal jemand so einfach und geradewegs zu mir heraus. Diese klare Aussage meines Arztes schließt meine Selbstfindung zu dieser Krankheit ab. Während ich die letzten Wochen „nur“ Krebspatient war, fühle ich mich nun als Sarkompatient. Und so langsam merke ich auch, dass das in mancher Hinsicht einen entscheidenden Unterschied macht…