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So langsam wünsche ich mir fast, dass da noch Krebszellen in mir rumschwirren, die nun gekillt werden. Denn die Vorstellung, dass die Chemotherapie vielleicht gar nicht nötig wäre, finde ich absolut grausam und der Gedanke ist schlichtweg unerträglich. Körperverletzung nennt man das – vorsätzlich!

Als ich gestern Morgen das Krankenhaus betrat, habe ich eindeutig mehr gezittert als beim ersten Mal. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich nun eine konkrete Vorstellung davon hatte, was passieren wird. Damals wusste ich das noch nicht. Ich konnte mir einreden, dass es vielleicht gar nicht so schlimm werden würde. Da hatte ich so etwas wie Hoffnung. Nun habe ich leider Gewissheit – und zwar darüber, dass mich in den nächsten fünf Tagen überhaupt nichts Schönes erwartet.

Nachdem der Chemobeutel an meinem Infusionsständer hing und jemand auf Start gedrückt hatte, dauerte es ungefähr 30 Minuten bis mein Körper erstmals darauf reagierte: Mein Kopf wechselte stetig zwischen kalt und heiß, mir wurde schwindlig und die Übelkeit setzte ein. In der Nacht hatte ich vorübergehend leichte Schmerzen beim Schlucken, der Mund war extrem trocken und die Zähne taten weh. Auch tagsüber hatte ich immer wieder verschiedene Baustellen vorzuweisen, die aber nie lang genug anhielten um mit einem Arzt ernsthaft darüber zu sprechen. Dazu gehörte ein Kribbeln in den Händen, Kopfschmerzen, übermäßig starkes Schwitzen und Ohrenschmerzen. Am Nachmittag setzte dann die allgemeine Schlappheit ein. Die Übelkeit wurde im Liegen eher schlimmer und nachdem man mir eine Tablette (MCP) brachte, wurde es leider nur minimal besser.

Bei meinem ersten Chemozyklus lag ich fast nur im Bett, was ich im Nachhinein als einen untragbaren Zustand empfand. Deshalb hatte ich mir nun ein paar Rituale antrainiert. Ich nahm mir beispielsweise zum Ziel, jeden Morgen kurz abzuduschen. Ein Normalsterblicher kann sich das wahrscheinlich kaum vorstellen, aber Duschen kann richtig anstrengend sein! Aber ich zwing mich. Wenn die Frühschicht beginnt, habe ich immer ein kleines Zeitfenster, in dem die Infusionsbeutel meines Ständers gewechselt werden müssen. Für diese paar Minuten bitte ich die Schwester mich kurz von den Schläuchen abzustöpseln und den Port mit wasserabweisendem Klebestreifen abzudecken. „Aber klingeln Sie bitte sofort, wenn Ihnen nicht gut ist oder sie Hilfe brauchen.“ Ich nicke. Im Bad stelle ich mir vorsichtshalber noch den Plastikstuhl direkt neben die Dusche, sodass ich mich bei einem Schwächeanfall schnell hinsetzen kann.

Ich habe das Personal außerdem darum gebeten, meine Bettwäsche zu wechseln, damit ich nicht mehr in meinem eigenen Schweißgeruch liegen muss. Denn die Matratzen sind überhaupt nicht atmungsaktiv und die Chemo bringt den Körper derart in Wallung, dass ich in der Nacht mindestens einmal komplett die Sachen wechseln muss. Das Wort verschwitzt würde es nicht annähernd treffen. Eher klitschnass. Das empfinde ich in der Tat als ziemlich eklig. Die Dusche am Morgen ist demnach nicht nur geruchstechnisch bitter nötig, sondern verschafft auch einen Frischekick, der den Blutdruck zumindest ein klein wenig in Schwung bringt. Man fühlt sich gleich besser. Als ob man das Elend der Chemo ein wenig von seinem eigenen Körper abbrausen würde.