Schlagwörter
Angehörige, Angst, Familie, Freunde, Unbeholfenheit, Unsicherheit
Gerade zu Beginn meiner Krankheit verstand ich oft nicht, warum die anderen Menschen so derart unter der eigenen Diagnose leiden – ‚schließlich sind doch nicht die, sondern ICH betroffen…‘
Mit der Zeit begreift man aber, dass Krebs eine Art Familienkrankheit ist. Die neue Situation schlägt sich auch auf das Leben der Anderen nieder, weil sie beispielsweise ihren eigenen Tagesrhythmus neu anpassen, um für den Betroffenen eine Hilfe zu sein. Hinzu kommt außerdem, dass das eigene Weltbild stark ins Wanken gerät. Gerade junge Menschen gelten schließlich als unverwundbar. Wenn es um die Begegnung mit dem Tod geht, lassen sie wie selbstverständlich der alten Generation den Vortritt. In jungen Jahren an etwas zu erkranken, was einem das Leben rauben kann, entzieht sich meist der eigenen Vorstellungskraft.
Aber natürlich leiden Angehörige und Freunde auch emotional mit. Nicht nur, weil es Ihnen ehrlich leid tut, sondern auch, weil sie sich plötzlich damit konfrontiert sehen, unter Umständen von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen. Der Erkrankte muss vielleicht sterben und man kann nichts dagegen tun. Diese Machtlosigkeit und der Gedanke daran, mit dem Verlust weiterleben zu müssen, ist gerade für Angehörige das Allerschlimmste. Sie sind also doch betroffen – nur halt auf anderer Ebene.
„Sag mir was ich tun soll!“, diesen Satz habe ich so oft gehört oder in anderen Augen gelesen. Leider verlieren sich manche Menschen in ihrer Ohnmacht so sehr, dass diese sie regelrecht lähmt und so die eigentliche Aufgabe – für den Betroffenen einfach da zu sein – aus dem Sichtfeld verloren geht. So abwegig man das als Patient finden mag… aber wieder muss man selbst die Initiative ergreifen und seine Liebsten an die Hand nehmen. Es ist fast erschreckend, welche Kraft und Energie man als Betroffener dann noch zusätzlich aufbringt, um die Anderen zu lenken. Umso absurder ich das selbst damals fand, desto sinnvoller betrachte ich es jetzt im Nachhinein, weil ich merke, wie dankbar die Leute für diese Hilfestellung waren.
Liebe Angehörige, schüttelt und rüttelt euch! Erwacht aus eurem Koma und lauscht unseren Bedürfnissen – vergesst dabei aber nicht eure eigenen! Holt euch im Zweifel Hilfestellung von Dritten. Und bitte hört auf zu denken, dass ihr uns mit gut gemeinten Taten und Worten zuschütten müsst. Es reicht meistens, einfach nur da zu sein, körperliche Nähe zu spenden und zuzuhören. Einfühlungsvermögen, Verständnis und Akzeptanz bilden hier die unschlagbare Einheit zum Erfolg.
Liebe Betroffene, regt euch nicht darüber auf, dass die Menschen so hilflos sind und ihr ihnen – trotz eurer Krankheit – auch noch unter die Arme greifen müsst. Sie sind (wie man selbst) schlicht überfordert und wollen nichts Falsches sagen oder tun. Versucht, es als etwas Positives zu betrachten: Ihr könnt die Leute dort hin lenken, wo es euch gerade am besten passt und sie dazu bringen, das zu tun, was euch gut tut. Es ist wie in einem Film, in dem ihr die Regie seid… nur mit dem Unterschied, dass es dafür kein vorgefertigtes Drehbuch gibt.