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Eine Krebsdiagnose stellt den Betroffenen und seine Angehörigen auf eine harte Probe. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich auch die Partnerschaft neu bewähren muss. Manchem Lebensgefährten wird das Ausmaß der Aussage „In guten wie in schlechten Zeiten“ nun erst bewusst.
Dabei scheinen vor allem die angehörigen Männer mit solch einer Situation überfordert zu sein. In einem Bericht der Fachzeitschrift Senologie steht, dass die Scheidungsraten 7x höher sind, wenn die Frau erkrankt ist. Dies wird damit erklärt, dass sich durch die Erkrankung die Rollenverhältnisse in der Partnerschaft verändern. Dadurch müssten Männer Aufgaben übernehmen, die sonst die nun erkrankte Partnerin erledigt hatte. Allerdings denke ich, dass dieses Problem vor allem ältere Paare haben werden, da hier die Rollenverhältnisse noch präsenter sind als in moderneren Partnerschaften. Im Bericht wird daher der Rat gegeben, den Partner frühzeitig in Gespräche mit einzubeziehen, um Konflikte im Alltag zu identifizieren und Hilfestellung anzubieten. Ob es dabei ausreicht, nur über das Problem zu reden, bezweifle ich allerdings. Es sollte vielmehr darüber gesprochen werden, wie man Unterstützung durch Dritte organisieren kann.
Aber auch die bestehenden Sorgen und Ängste, die man um den geliebten Menschen und eventuell auch um das eigene Leben hat, sollten dringend kommuniziert werden. In Ausnahmesituationen wie diesen ist es nur natürlich, dass Unsicherheiten entstehen. Umso früher man seine Gefühle miteinander teilt, umso besser! Und wer dabei Hilfe benötigt, ist bei einem Psychoonkologen in guten Händen. Die Last lässt sich gemeinsam einfach besser tragen als allein.
Sexualität ist unter den Umständen einer Krebserkrankung eigentlich auch ein ganz wichtiges Thema… eigentlich! Denn darüber reden tut kaum jemand. Zumindest hat mich während meiner Therapie keiner darauf angesprochen. Dabei ist sie ein wichtiger Bestandteil, wenn es um die Erhaltung guter Lebensqualität geht. Gerade wenn Intimbereiche von der Erkrankung bzw. der Therapie betroffen sind, erschwert dies die Zweisamkeit unter Umständen erheblich. Aber wie im Artikel richtig erwähnt wird, ist Sexualität nicht auf den klassischen Geschlechtsverkehr reduziert. Sowohl Nähe als auch Intimität gehören dazu. Wie ausgeprägt die Probleme in der Partnerschaft dabei werden können, hänge häufig davon ab, wie zufriedenstellend die Beziehung vor der Erkrankung war. Nach einer Krebserkrankung werden schlechte Ehen oftmals schlechter und gute Ehen oft besser, so eine Studie.
Bei der Sexualität spielen Äußerlichkeiten eine entscheidende Rolle. Es ist ein großer Fortschritt, dass Operationen an der Brust heute nicht mehr automatisch erkennbar sein müssen. Brusterhaltende Operationen, die Möglichkeit des Wiederaufbaus oder das Tragen einer Brustprothese sind für Patienten ein wichtiger Rettungsanker. Dass dies aber auch Probleme mit sich bringen kann und für die Patienten praktisch nicht immer so leicht ist, zeigen eindrucksvoll die Berichte von Betroffenen, die ein Anbieter von Brustprothesen und Dessous (Amoena) veröffentlicht hat. In den Geschichten wird deutlich, dass das Verständnis und die Einstellung des Lebensgefährten maßgeblich dazu beitragen, ob die gemeinsame Intimität nach einer Brust-OP beeinträchtigt ist oder nicht.
Aber nicht nur die OP, auch Chemotherapie, Bestrahlung und andere Behandlungen können den Hormonhaushalt beeinflussen, Erschöpfungszustände (Fatigue-Syndrom) hervorrufen, Schmerzen verursachen und/oder das Körperbild derart verändern (z.B. durch Haarausfall), dass die Libido und das sexuelle Erleben beeinflusst werden.
Natürlich muss man sich zunächst selbst mit dem veränderten Körperbild arrangieren, es annehmen und akzeptieren. Das lässt sich aber einfacher umsetzen, wenn man dabei Unterstützung erfährt statt ignoriert oder gar verstoßen zu werden. Denn seelische und körperliche Probleme beeinflussen sich dabei gegenseitig.
In dem mir vorliegenden Bericht steht: „Für Ärzte, die Patienten mit bösartigen Erkrankungen behandeln, muss die Erhebung sexueller Probleme genauso selbstverständlich sein wie die anderer krankheitsspezifischer Beeinträchtigungen.“ Das ist richtig. Allerdings haben meine Ärzte mich nie danach gefragt. Und wenn ich genau überlege, muss ich zugeben, dass ich mit ihnen auch nicht über meine Sexualität hätte sprechen wollen. Das liegt daran, dass ich dieses Thema fachlich keinem zugetraut und das Vertrauensverhältnis zu manchem nicht ausgereicht hätte. Hierfür würde ich mir tatsächlich lieber einen Sexualtherapeuten mit Schwerpunkt Onkologie wünschen (oder einen Psychoonkologen mit entsprechender Zusatzqualifikation).
„Indem Ärzte sich für die sexuellen Probleme ihrer Patientinnen interessieren, setzen sie ein Signal, dass ihnen auch die Qualität des weiteren Lebens und nicht nur das Überleben wichtig ist.“ Auch diese Aussage finde ich sehr wünschenswert. Jedoch hatte ich während meiner Therapie nie das Gefühl, dass sich jemand dafür interessieren würde, inwieweit die Behandlung einen Einfluss auf die anderen Bereiche meines Lebens haben würde. Der Sieg über den Krebs hatte oberste Priorität. Der Rest – darunter auch die Sexualität – musste sich anpassen.
Die Autoren geben am Ende noch Tipps, wie der Arzt dem Patienten bei einem Gespräch über Sexualität begegnen kann… dabei fallen Wörter wie „ungestörte Atmosphäre“, „angemessene Sprache“ und „Vermeidung medizinischer Fachausdrücke“. Bei solchen Aussagen bin ich doch etwas irritiert. Denn diese Regeln sollten für jede Gesprächssituation zwischen Arzt und Patient gelten – egal zu welchem Zeitpunkt und egal zu welchem Thema.
Zu einer onkologischen Versorgung sollte das Angebot einer sexualmedizinischen Betreuung gehören. Von der Etablierung solch eines Systems sind wir meiner Meinung nach aber noch weit entfernt. Der Rat an jeden Patienten sollte deshalb lauten: Sexuelle Probleme sollten nicht stillschweigend hingenommen werden, sondern durch phantasievolles Experimentieren und offene Gespräche mit dem Partner gelöst werden.
Quelle: J. Farthmann und A. Hasenburg. Sexualität nach gynäkoonkologischen Krebserkrankungen und Mammakarzinom. Senologie 2016; 13: 59-63.