August 2009. Meine Frauenärztin ertastet zum ersten Mal einen kleinen Knoten in der rechten Brust. Während ich noch gar nicht so richtig weiß wie mir geschieht, beruhigt sie mich bereits: „Ist bestimmt nur eine Zyste… so etwas ist völlig harmlos“. In der Tat ist eine Zyste ein recht banales Geschöpf… im Grunde nur ein flüssigkeitsgefüllter Ballon. Laut der Literatur sind es die mit am häufigsten vorkommenden Brustveränderungen. Meine Gynäkologin überweist mich zur weiteren Abklärung in eine radiologische Praxis. Mittels Ultraschall kann hier zwar der Verdacht nicht bestätigt werden, jedoch ist die Diagnose auch nicht wirklich besorgniserregend: ein Fibroadenom, 13 x 10 mm groß. Auch hier muss man sagen, dass es sich um keine spektakuläre Sache handelt. Ein Fibroadenom ist DER häufigste gutartige Brusttumor. Damit sind immerhin 25% aller Frauen gesegnet, vielleicht auch weniger – ganz einig scheint sich die Literatur da offensichtlich nicht zu sein. Zumindest aber ist diese Sache alles andere als selten. Und tatsächlich treten sie bevorzugt bei jüngeren Frauen auf.
Ich komme dem Wunsch der Radiologen nach und besuche mindestens 1x pro Jahr ihre Praxis. So wird der Knoten weiter beobachtet und eventuelle Veränderungen frühestmöglich erkannt.
Bis zum April 2013 geht das ohne Auffälligkeiten so seinen Gang. Dann stelle ich erstmals eine deutliche Vergrößerung des Knotens fest. Ich gehe also zum Arzt… hier bestätigt man nicht nur die Größenzunahme auf 2,5 x 1,8 cm, sondern registriert auch eine Veränderung des Ultraschallbildes, welches nunmehr doch auf eine Zyste hinweist. Wie schon erwähnt, ist eine Zyste per se nichts schlimmes… Allerdings scheint es mir sehr zweifelhaft, wie auf einmal aus einem Adenom eine Zyste werden soll. Weil mir die Sache langsam zu undurchsichtig wird, suche ich mir zur weiteren Abklärung ein Brustzentrum. Hier wird die Umfangsvermehrung erstmals punktiert und damit die Zyste als Diagnose bestätigt. Die Flüssigkeit wird abgesaugt… und was vorher noch zu tasten war, ist nun mit einmal verschwunden. Auch die Untersuchung der Flüssigkeit ergibt keinerlei Auffälligkeiten. Ich bin also glücklich und zufrieden. Man bittet mich noch – zwecks Routine – ein halbes Jahr später zur Nachkontrolle vorbeizuschauen.
Ich sitze also im Oktober 2013 wieder im Brustzentrum. Leider nicht nur wegen der vereinbarten Kontrolluntersuchung, sondern notwendigerweise auch aus eigenen Beweggründen. Denn inzwischen ist die Flüssigkeit nicht nur nachgelaufen (was durchaus passieren kann), sondern die weitere Größenzunahme ist nunmehr wirklich besorgniserregend. Allmählich fange ich an, das alles sehr merkwürdig zu finden. Zunächst bin ich bei der Gynäkologin, die sich meine Brust erneut anschaut. Inzwischen hat die Zyste eine Größe von 4,5 cm. Es stellt sich aber auch heraus, dass diese nicht mehr nur flüssige, sondern nun auch feste Bestandteile aufweist. Die Ärztin ist sich sehr unsicher, was sie davon halten soll. Sie schickt mich erneut zu dem Team, das damals die Zyste punktiert hat. Und genau hier auf der Liege des Untersuchungszimmers entsteht nun eine äußerst skurrile Situation, die all meine Alarmglocken langsam zum läuten bringt:
Die jungen Ärzte schauen etwas verdutzt auf die Bilder, die ihnen ihr Ultraschallgerät liefert. Offenbar sind sie ratlos und holen sich deshalb Hilfe. Herein kommt ein Herr, der wahrscheinlich Ober- oder Chefarzt ist. Die anderen stehen dicht hinter ihm, schauen wissbegierig über seine Schulter und warten gespannt auf sein Urteil. Ganz klar, dies war der Arzt, den man fragt, wenn man selbst nicht mehr weiter weiß. Der Arzt, zu dem man als junger Assistenzarzt aufschaut, in der Hoffnung, einmal denselben Erfahrungs- und Wissensschatz vorweisen zu können… das ist deutlich zu erkennen. Ich denke mir: ‚Oh schön… endlich einer, der mir sagt, was los ist!’. Der Mann nimmt den Ultraschallkopf zur Hand und schaut sich das ganze an. Ich stelle leider schnell fest, dass ich auch seinen Gesichtsausdruck sehr ernüchternd finde. Als ob wir es mit einer neuen Spezies zu tun hätten… einer neuen Lebensform, die es zu erforschen galt. Unsicherheit und Angst sind einigen deutlich ins Gesicht geschrieben. Nachdem ich das Gefühl habe, dass keiner sich traut auszusprechen, was so deutlich auf der Hand liegt, wage ich den ersten Schritt: „Da das Absaugen der Zyste ja offensichtlich erfolglos war und das Aussehen sich nunmehr auch verändert, bin ich sehr dafür, das Teil operativ zu entfernen. Dann hab ich wenigstens meine Ruhe!“. Der Arzt nickt sehr verständnisvoll: „Das sehe ich genauso. Machen Sie bitte einen OP-Termin aus. Dann brauchen wir die Zyste heute auch nicht mehr punktieren“.
Schon einen Monat später liege ich auf dem OP-Tisch und bin sehr froh, das „Ding“ – was auch immer es ist – endlich los zu werden. Gerade in den letzten Tagen (maximal Wochen) hat die Umfangsvermehrung einen drastischen Wachstumsschub erhalten, sodass sie mittlerweile einen Durchmesser von 5 cm hat. Von außen ist sie damit inzwischen deutlich zu erkennen… denn sie wölbt sich nicht nur vor, sondern quetscht inzwischen so viel gesundes Brustgewebe, dass es schmerzt und die Haut mancherorts grün und blau färbt. Egal welcher Arzt vor mir steht: Alle machen entsetzte, große Augen und signalisieren mir, dass man so etwas noch nie gesehen hätte. So langsam dämmert es mir, dass diese Operation vielleicht nicht das Ende einer Odyssee bedeutet…
Lest weiter: Der Startschuss.